Warum schaust Du nicht hin?

Wenn die eigene Tochter an Magersucht erkrankt ist, sind es die Mütter, die am meisten unter der Situation leiden. Sie sind es, die es als erste bemerken, dass etwas nicht stimmt. Sie haben das feine Gespür, dass sich das eigene Kind verändert hat. Dass es nicht mehr so unbeschwert und leicht durchs Leben geht. Dass es sich plötzlich diszipliniert und zurückzieht. Dass die Verbindung eine andere geworden ist. Früher basierte die Beziehung auf Vertrauen und Liebe. Heute auf Misstrauen und Angst. Du siehst, dass sie leidet. Du kannst nicht anders und leidest mit. Für Dich ist dieser Zustand unaushaltbar, für sie eine Challenge. Je tiefer sie sich in der Magersucht verliert, umso mehr leidest Du.

Du willst ihr helfen

Du bist fest entschlossen ihr aus dieser Krankheit zu helfen. Du glaubst an Dein Ziel. Mit Dir an ihrer Seite wird sie es schaffen. Du kämpfst mit ihr, Seite an Seite gegen den Feind. Doch Du siehst es nicht. Für Dich ist die Magersucht ein Feind, für Dein Kind ist sie eine Freundin. Eine Begleiterin, die nicht von ihrer Seite weicht und ihr verlässliche Sicherheit gibt. Und zwar die Sicherheit, die ihr fehlt. Die sie so dringend braucht, um zu leben. Sie hat es nie gelernt. Sie weiß nicht, wie es sich anfühlt. Sie weiß nicht, wie es sich anfühlt einfach nur geliebt zu werden. Sie weiß nicht, wie es sich anfühlt einfach nur sein zu dürfen. Ohne dafür „abliefern“ zu müssen.  Sie hat gelernt, wie sie sein soll. Sie hat gelernt, was von ihr erwartet wird. Und sie hat auch gelernt, dass sie mit unangenehmen Reaktionen rechnen muss, wenn sie diesem Bild nicht entspricht. In ihr hat sich der Mechanismus etabliert, dass wenn sie diesen Erwartungen nicht entspricht mit Liebesentzug rechnen muss. Doch das kannst Du nicht sehen. Du schaust hin und siehst es nicht!

Mütter suchen immer die Ursache im Außen

Weil der Zustand unerträglich für uns Mütter ist, suchen wir den Grund bzw. die Ursache der Magersucht im Außen. Zurzeit denken alle, dass die Corona Pandemie der Grund dafür ist, dass ihre Tochter nicht mehr isst. Bei einigen ist es Mobbing, bei anderen sind es die schönen Körper, die auf TikTok oder Instagram zu sehen sind oder die Trennung vom Partner. Ich selbst habe damals 6 Jahre mit dem festen Glauben gelebt, dass der Ursprung der Anorexie im Mobbing zu finden war. Und so bin ich auch damit umgegangen. Ich habe mich zwar immer wieder selbst reflektiert und die Schuld bei mir gesucht, doch wirklich tief geschaut habe ich nie. Warum auch? Es hat mir niemand gesagt, dass es einen Zusammenhang gibt und es ratsam wäre bei mir tiefer hinzuschauen, um der wirklichen Ursache auf den Grund zu gehen. Es gab niemanden, der mir hätte erklären können oder, der mich hätte an die Hand nehmen können. Jemand, der mich hätte liebevoll begleiten können, ohne den Finger tief in die Wunde zu legen und mich zu beschuldigen, dass ich für die Krankheit meines Kindes verantwortlich sei.

Die Ursache der Magersucht war in mir

Als ich durch eine glückliche Fügung des Schicksals jemanden gefunden hatte, der mir meine Augen öffnete und mich den Zusammenhang der Magersucht unserer Tochter und mir erkennen lies hatte ich keine andere Wahl mehr als tiefer hinzuschauen. Bei mir selbst. Natürlich geriet damals meine heile Welt gehörig ins Wanken. Und je tiefer ich schaute, umso deutlicher war mir mein Anteil an der Anorexie bewusst und umso motivierter war ich, all das, was ich in meinem Leben in mir angesammelt hatte, und mich blockierte ich selbst zu sein aufzulösen. Ich erkannte, dass auch ich keine Sicherheit in mir fühlte, dass auch ich „abliefern“ musste und mein Leben so gut lief, weil ich mich auf meine Weise kontrollierte. Rückwirkend betrachtet war es sicher nicht leicht, doch es hat sich gelohnt. Ich bin durch die innere Arbeit bei mir angekommen. In meinem Herzen und meiner Seele. Mir ist auf meinem Weg bewusst geworden, dass die Magersucht mit ihren Symptomen Botschaften war, die ich entschlüsseln durfte. Botschaften, die nur für mich bestimmt waren und deren Entschlüsselung mir zeigte, dass meine Tochter mich nur spiegelte. Sie zeigte mir auf, was bei mir aufgearbeitet werden muss. Ich sage bewusst muss, weil es ohne diese Erkenntnisse niemals möglich gewesen wäre, dass wir beide uns befreien. Viele Eltern schicken ihr Kind zur Therapie, zwingen sie zu Klinikaufenthalten und zum Essen. In vielen Fällen kommt es zu Gewichtszunahmen, die den betroffenen Familien Heilung vorgaukeln. Wirkliche Heilung geschieht jedoch immer zuerst im Innen und zeigt sich folgend durch das Essverhalten. Eine gesunde Seele wird nicht mehr restriktiv essen und bewusst dem Körper schaden. Eine gesunde Seele ist es sich wert seinen Körper zu nähren und wertzuschätzen. Eine gesunde Seele ist in der Lage sich selbst und seinen Körper zu lieben. Eine gesunde Seele empfindet Lebensfreude.


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Herzlichst
Michaela
                                  

Deine innere Haltung ist der Schlüssel für einen leichten Umgang mit Deiner an Anorexie erkrankten Tochter

Ich habe so viele Jahre die gleichen Dramen erlebt, wie Du. Meine eigene Stimmung und Gemütslage wurden allein durch meine Tochter bestimmt. Fühlte sie sich schlecht, ging es mir schlecht. Fühlte sie sich noch schlechter, ging es mir noch schlechter. Je weniger sie aß umso größer wurden meine Ängste. Zeigte sie einen Anflug eines Lächelns, hüpfte mein Herz vor Freude. Hatte sie positive Erlebnisse und ließ mich daran teilhaben, dachte ich sofort, dass jetzt alles gut werden würde. Jahrelang war meine eigene innere Verfassung von ihr und ihrer Krankheit abhängig. Ich traute mich nicht etwas zu planen oder zu unternehmen, weil ich immer auf der Hut sein musste. Ich musste immer zur Stelle sein, um schnell unterstützen zu können. Ich wollte sie nicht allein leiden lassen. Frei nach dem Motto: Geteiltes Leid ist halbes Leid!

Ich fühlte mich wie ein Fähnchen im Wind

Ich passte mich stets ihr und ihrem Befinden an. All mein Tun war auf ihr Wohlbefinden ausgerichtet. Nicht, dass sie es eingefordert hätte. Nein, ich tat es aus einem inneren Drang und Verantwortungsgefühl heraus. Irgendein Teil in mir erwartete, dass ich mich für mein Kind aufopfere und mich dabei selbst vergesse. Unbewusst fühlte es sich nur auf diese Art und Weise richtig an. Ich war ihr stets zugewandt und dem Leben und meiner Familie abgewandt. Natürlich wollte ich es trotzdem allen anderen auch recht machen. Ich gab allen alles, was ich hatte, und trotzdem fühlte es sich so an, als wäre es nicht genug. Der innere Druck lastete sehr schwer in mir. Nicht nur einmal drohte ich an ihm zusammenzubrechen. Ich konnte nur die notwendigen Dinge erledigen. Freundschaften schliefen ein und gemeinsame Zeiten als Paar existierten nur als Wunsch in meinem Kopf. So war schnell abzusehen, dass auch dieser Lebensbereich auseinanderzubrechen drohte.

Ich änderte meine innere Haltung

Nach 6 Jahren ließ ich mich von einem Coach begleiten. Ich erkannte schnell, dass ich für mich und mein Lebensglück selbst verantwortlich bin. Und dass es meine Angelegenheit ist, wie ich mit der Situation, der Magersucht und meiner Tochter umgehe. Ich begriff endlich, dass ich sie für all mein Leid und die damit zusammenhängenden Umstände verantwortlich machte und dass auch mein Drang und das starke Verantwortungsgefühl für sie meinem Selbst entsprangen. Ich war für mein Wohl selbst verantwortlich! Nur ich selbst konnte es verändern! Wenn ich nicht an all dem Drama um mich herum zerbrechen wollte, musste ich es verändern. Ich wollte nicht mehr das Fähnchen im Wind sein! Ich wollte der Fels in der Brandung sein, der jedem Sturm standhält. So änderte ich mit seiner Unterstützung meine innere Haltung. Ich löste innere Themen und Blockaden auf und integrierte wunderbare Glaubenssätze, die mich immer mehr zu mir selbst führten. Es war ein Prozess, der mich auch an meine Grenzen brachte. Grenzen, die ich nie zuvor in meinem Leben gespürt habe. Ich begab mich in neue Ebenen meines Seins und wurde mir meiner selbst immer mehr bewusst. Ganz automatisch veränderte ich meine Haltung zu unserer Tochter und der Anorexie. Meine Worte und Taten hatten eine andere Energie. Bitten, betteln, schimpfen, drohen und strafen wurden überflüssig. Ich erkannte meine eigenen Grenzen und spürte, dass diese vom Außen akzeptiert wurden. Meine Veränderungen waren in all meinen Beziehungen spürbar. Freundschaften entwickelten sich neu und unsere Ehe lebten wir in einer nie zuvor dagewesenen Qualität. Mein Standing am Arbeitsplatz zeigte sich selbstbewusst, kompetent und nahbar. Mein Herz öffnete sich und ließ mich seit vielen Jahren endlich wieder wahre Liebe und Zuneigung mir selbst und anderen gegenüber spüren.

Die größte Veränderung erlebte ich mit unserer Tochter


Sehr schnell nachdem ich das Coaching begonnen hatte, schien unsere Tochter meine Veränderung wahrzunehmen. Sie spürte, dass ich die Opferrolle verlassen hatte und ihr mit einer anderen Haltung begegnete. Ich habe es geschafft bei mir zu bleiben und nicht, wie früher, in ihre Stimmungen einzusteigen und mitzuleiden. Ich war plötzlich innerlich stärker und gefestigter. Auch sie veränderte sich. Ganz langsam begann sie für sich und ihr Wohl zu sorgen. In kleinen und großen Schritten, immer weiter.  Ich konnte wieder lachen und Spaß haben. Ich konnte NEIN sagen und für mich einstehen. Ich hatte auf einmal mehr Zeit, die ich gerne und ganz entspannt mit unserer jüngeren Tochter verbringen konnte. Ich habe mich beruflich weiterentwickelt, in weitere Coachingausbildungen investiert und mich selbstständig gemacht. Ich spürte diesen Drang all meine Erfahrungen und Erkenntnisse an andere betroffene Mütter weiterzugeben. Es war ein inneres Feuer, dass sich entfacht hat. Es fühlte sich richtig an. Ich musste diesen Weg gehen und wurde von Klientin zu Klientin sicherer. Die Frauen zeigten mir, dass alles möglich ist, wenn wir uns darauf einlassen. Meine Erfolge sind ihre Erfolge. Ich feiere jede von ihnen.

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