Soll ich mein an Magersucht erkranktes Kind zur Therapie zwingen?

Ich habe 6 lange Jahre als Mutter einer an Magersucht erkrankten Tochter daran geglaubt, dass sie nur gesund werden kann, wenn sie in eine Klinik geht und anschließend in eine ambulante Therapie bei einem Therapeuten bei uns in der Nähe. In meinem Kopf war kein Raum für andere Möglichkeiten. Ich war seit meiner Ausbildung zur Kinderkrankenschwester mit der Schulmedizin verwachsen und glaubte strickt an das, was mir von Ärzten und Therapeuten empfohlen wurde. Unsere Tochter war ein sehr angepasstes Mädchen, das sich anfangs all den Therapieangeboten förmlich ergab. Sie machte immer mit. Ich spürte ihren inneren Widerstand vor jedem Termin aufs Neue und erklärte es mir damit, dass Therapie nun einmal anstrengend sei.

Ich redete mit Engelszungen auf sie ein

Ich begleitete sie zu den Terminen, um sie noch im Auto davon zu überzeugen, dass alles so seine Richtigkeit hat und nur auf diese Weise Heilung möglich sei. Auf die Idee, dass sie die Magersucht gar nicht loslassen wolle, kam ich damals nicht. Auch einem erneuten Klinikaufenthalt stimmte sie nur mir zuliebe zu. Während des Aufenthaltes in dieser Klinik feierte sie ihren 18. Geburtstag. Eine Woche später entließ sie sich selbst entgegen allen Empfehlungen. Wenig später entzog sie sich allen abgesprochenen Kontrollterminen und auch der ambulanten Psychotherapie. Bei mir schrillten alle Alarmglocken. Ich versuchte sie mit Engelszungen dazu zu überreden wenigstens die Psychotherapie wieder aufzunehmen. Doch ohne Erfolg. Solange ich glaubte, dass nur sie an sich arbeiten muss und dass die Magersucht nur mit ihr allein etwas zu tun habe veränderte sich bei ihr nichts. Jedes Mal, wenn ich nur ganz leise das Thema Therapie ansprach, wühlte ich sie auf und sie lehnte es kategorisch ab noch jemals wieder eine Therapie zu beginnen.

Erst als ich anfing bei mir hinzuschauen veränderte sich etwas bei ihr

Durch mein eigenes Coaching ist mir so viel klargeworden. Ich habe mich sehr mit mir beschäftigt und dadurch langsam den Fokus von ihr nehmen können. Meine Eigenschau hat viel in mir aufgewühlt und mich sehr beschäftigt. Gleichzeitig durfte ich so, so viel erkennen und loslassen. Ich durfte erkennen, dass ich Kontrolle und Sicherheit ebenso brauchte wie unsere Tochter. Dass ich als Jugendliche die gleichen Themen und Probleme hatte, jedoch auf nicht so drastische Weise meinen Schmerz kompensiert habe, wie sie es tat. Ich habe erkannt, wie sehr wir zwei miteinander verbunden sind, auch in der Magersucht. Und ich habe endlich verstanden, dass sie die Magersucht nicht loslassen kann, solange ich die gleichen Themen mit mir rumschleppe. Bereits all diese Erkenntnisse haben bei mir etwas ausgelöst. Eine neue Hoffnung machte sich Raum. Es fühlte sich fast wie Vorfreude an. Ich hatte endlich die Möglichkeit bekommen wirklich etwas zu tun. Dadurch, dass ich sehr viel Ballast losgelassen habe, hat sich meine „Ausstrahlung“ verändert. Ich hatte nicht mehr den Drang sie zu kontrollieren. Ich habe nicht mehr zwanghaft auf ihren Teller geschaut und abgeschätzt, ob die Mengen vielleicht doch zu gering sind. Ich habe sie machen lassen und ihr vertraut. Ich konnte ihr vertrauen, ohne mir Gedanken darüber zu machen. Es ist einfach so geschehen. Heute weiß ich, dass das Transformation ist. Ich habe viele mich einschränkende und belastende Emotionen losgelassen. Die Emotionen, die mich früher dazu zwangen zu kontrollieren. Ängste und Zweifel sind von mir abgefallen und haben mich mutiger sein lassen. Ich habe gelernt zu mir zu stehen und mich und meine Bedürfnisse immer mehr wahrzunehmen und zu leben.

Und dann wollte sie die Therapie wieder aufnehmen

Eines Tages kam sie zu mir und eröffnete mir ihre Pläne für die nächste Zukunft. Sie hat beschlossen wieder eine Psychotherapie zu machen und sich medizinisch begleiten zu lassen. Sie hat sich die für sie richtigen Therapeuten und Ärzte selbst ausgesucht und zu ihnen Kontakt aufgenommen. Sie hat den Weg ihrer Heilung selbst in die Hand genommen. Sie war motiviert und entschlossen. Dadurch hat sich meine Rolle sehr verändert. Ich durfte die Situation und ihren Weg mit Abstand betrachten. Ich war immer da, wenn sie mich brauchte. Ich wurde ihre liebevolle Begleiterin, die ihr das Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit geben konnte. Ich war diejenige, die immer an sie geglaubt hat. Auch, wenn sie den Glauben an sich verloren hat. Unser Verhältnis und auch die Stimmung innerhalb der Familie hat sich sehr verändert. Wir haben wieder gelacht und hatten lustige Gespräche während der Mahlzeiten. Und sie……sie hatte wieder Ziele und Träume, die sie nach und nach verwirklichte. Es war ein Weg, der nicht geradlinig verlief. Es kamen immer wieder Situationen, die sie sehr belasteten und sie auf die Probe stellten. Doch mit dem Wissen, dass die Erkenntnisse aus diesen Prüfungen notwendig sind, um Heilung zu erfahren, konnten wir jeden weiteren Schritt gemeinsam feiern.
Ich habe durch meine eigenen Erfahrungen und durch die Geschichten meiner Klientinnen gelernt, dass es nicht förderlich ist sein Kind zur Therapie zu zwingen. Eine unter Druck gestaltete Therapie wird nicht zum Erfolg führen. Psychotherapie kann nur gelingen, wenn die Jugendliche motiviert und eigenverantwortlich arbeitet und die Gespräche in diesem geschützten Raum bleiben können. Ich weiß, dass viele Mütter es nicht ertragen, doch ich finde, dass der Inhalt dieser Gespräche nicht für die Ohren der Eltern bestimmt ist. Wenn wir Mütter unser Herz öffnen, unserem Kind vertrauen und an es glauben, wir der Heilungsweg nur halb so steinig verlaufen und mit Erfolg gekrönt sein.

Von Herzen Danke, dass Du diesen Artikel gelesen hast. Vielleicht hast Du Fragen, die Dich selbst betreffen oder meine Arbeit. Vielleicht brauchst Du Unterstützung bei der Umsetzung. Du kannst mich über das Kontaktformular oder die Kommentarfunktion anschreiben oder meine Kanäle auf Social Media nutzen. Ich freue mich über jede Nachricht.


Herzlichst
Michaela

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Kommentare

Ich freue mich auf eure Kommentare, eigene Erfahrungen und eventuelle Fragen!

Kommentar von Johanna

Liebe Michaela,

ich möchte einfach mal danke sagen für deinen neuen Blogbeitrag. Auch ich gehe den Weg bei mir zu gucken, Ängste loszulassen und ins Vertrauen zu finden. Achtsamkeit und Meditation mit schwierigen Emotionen hilft mir dabei. Ich danke dir von Herzen, dass Du mich durch deinen Blog auf meinem Weg unterstützt, indem Du diesen Weg schon gegangen bist und davon berichtest. Ich wünsche Dir einen schönen Sonntag.

Sei ganz lieb gegrüßt J.

Antwort von Michaela Pukrop

Ich danke Dir von ganzem Herzen für Deine lieben Worte. Du hast mein Herz berührt.

Ich wünsche Dir weiterhin viele Erfolge und bleib unbedingt dran.

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