Du musst sie endlich loslassen! (Teil2)
Damit wir Mütter sozusagen „aufwachen“ kommt die Magersucht in unser Leben. Sie will uns unsere Themen und blockierenden Glaubenssätze sichtbar machen. Sie will uns verdeutlichen an welchen Stellen wir kompensieren um den Halt nicht zu verlieren. Sie zeigt uns andererseits aber auch, wenn wir bewusst hinschauen, an welchen Stellen wir loslassen müssen um den Halt wieder zu finden. Wir müssen loslassen um unsere eigene Stabilität wieder zu erlangen. Das hört sich paradox an, ist es aber nicht. Wenn wir alle Erwartungen loslassen beginnen wir bedingungslos zu vertrauen.
Das heißt:
Wir lassen uns ein.
Wir lassen sein.
Wir lassen uns ein um zu sein.
Die einzige Aufgabe ist, die eigene Stabilität wieder zu erlangen!
Wir Mütter glauben, dass wir unser an Magersucht erkranktes Kind nicht loslassen können, weil sie das nicht schaffen könnte ohne unsere Hilfe. Doch in Wahrheit brauchen wir selbst das Gefühl, dass wir für ihre Heilung verantwortlich sind und alles in unserer Macht stehende dafür tun. Damit haben wir automatisch die Kontrolle über ihr Leben und ihr sogenanntes Wohlbefinden. Diese Kontrolle führt in uns dazu, dass wir uns „machtvoll“ fühlen. Sie gibt uns scheinbaren Halt und Stabilität. Sie lässt uns das schmerzliche Gefühl der Machtlosigkeit, des Fliegens im leeren Raum, nicht spüren. Zumindest zeitweise. Doch wenn wir von oben aus der Beobachterposition auf die Gesamtsituation blicken, erkennen wir, dass Mutter und Tochter auf gleiche Weise agieren. Beide fühlen sich machtlos und beide haben einen Mechanismus gefunden sich machtvoll zu fühlen. Die Tochter „flüchtet“ in die Anorexie und die Mutter in die „Kontrolle“ der Tochter. Wir Mütter haben in dieser Zeit viele Erwartungen an unsere Tochter. Wir üben Druck auf sie aus damit sie diese Erwartungen auch erfüllt. Je weniger sie dem nachkommt um so machtloser fühlen wir uns. Je mehr Druck wir ausüben umso machtloser fühlt die Tochter sich. Je länger diese Situation aufrecht erhalten wird umso kleiner, bedeutungsloser wird sie sich fühlen. Versagensängste, Ablehnung und Bedeutungslosigkeit sind weitere sehr schmerzvolle Gefühle die das an Magersucht erkrankte Mädchen erfüllen. Oft kommt es zu Depressionen, Selbstverletzungen und Bewegungszwang als weitere Möglichkeit der Kompensation. Doch wie kann dieser Kreislauf unterbrochen werden?
Das Zaubermittel heißt „Loslassen“
Das einzige wirklich wirkungsvolle Tool diesen Mechanismus zu unterbrechen ist das Loslassen. Wir Mütter müssen alle Erwartungen an unsere Tochter loslassen um ihr und uns einen Raum für Selbstverantwortung zu eröffnen. Wir dürfen voran gehen und diese Arbeit an uns machen. Wir dürfen erkennen, dass diese Erwartungen an sie nur dazu dienen um uns selbst Halt, Stabilität und Sicherheit zu verschaffen. Wir dürfen endlich erkennen, dass wir für uns selbst verantwortlich sind und niemand sonst. Wir dürfen erkennen, dass wir selbst für unser Wohlergehen und unsere Emotionen verantwortlich sind. Wir dürfen lernen uns selbst zu vertrauen. Wir dürfen lernen, dass Erwartungen, das Gegenteil von Vertrauen sind und Vertrauen ist Loslassen. Für mich ist es das größte Geschenk, erkannt zu haben, dass ich die Kontrolle gebraucht habe um mich selbst sicher zu fühlen. Ich brauchte Kontrolle weit über unsere Tochter hinaus. In fast allen Lebensbereichen waren meine Mechanismen der Kontrolle zu Hause. Diese Erkenntnis war damals schockierend und erleichternd zu gleich. Doch meine Einsicht und mein Leidensdruck haben mich angespornt diesen Zustand grundlegend zu verändern.
Das Loslassen aller Erwartungen ist ein Prozess
So wie ich mich damals einem Coach anvertraut habe, so kommen heute betroffene Mütter zu mir um sich diesem Prozess hinzugeben. Wir gehen diesen Weg gemeinsam, machen Lebensthemen sichtbar, räumen blockierende Glaubenssätze aus dem Weg und füllen diese Räume mit dienlichen Glaubenssätzen. Wir schaffen alles beiseite, was dem tiefen Vertrauen im Wege steht. Wie bei einer Zwiebel schälen wir Schale für Schale ab um dem wahren Kern im Herzen immer näher zu kommen. Immer wiederkehrende Themen und Emotionen lösen sich auf und eine ungeahnte Freiheit entsteht. Eingefahrene Denk und Verhaltensmuster können gehen. Die Sucht nach Kontrolle verschwindet damit Vertrauen sich ausbreiten kann. Vertrauen in sich selbst und in die erkrankte Tochter. Dadurch entsteht Stabilität, Halt und Sicherheit von innen heraus, die sich auf alle Lebensbereiche auswirkt. Das Einzige, was dazu notwendig ist, ist Mut.
Mut uns einzulassen,
Mut sein zu lassen,
Mut uns einzulassen um zu sein!
Von Herzen Danke, dass Du diesen Artikel gelesen hast. Vielleicht hast Du Fragen, die Dich selbst betreffen oder meine Arbeit. Du kannst mich über das Kontaktformular oder die Kommentarfunktion anschreiben oder meine Kanäle auf Social Media nutzen. Ich freue mich über jede Nachricht.
Herzlichst
Michaela
Kommentare
Ich freue mich auf eure Kommentare, eigene Erfahrungen und eventuelle Fragen!
Kommentar von Gabi
Liebe Michaela, ich habe sie losgelassen, habe ihr Eigenverantwortung gegeben. Nun hat sie äußerlich die Magersucht verlassen… eine Depression, genau so schlimm, ist geblieben. Sie wollte nicht losgelassen werden. Sie wollte Aufmerksamkeit…
Antwort von Michaela Pukrop
Liebe Gabi,
vielen Dank für Deine Nachricht. Magersucht, Depression, Selbstverletzungen oder andere Kompensationsmechanismen gehen oft Hand in Hand. Es heißt nicht, dass wenn das eine geht, das andere gleich mit geht. Wenn das Thema dahinter nicht aufgearbeitet ist wird sie weiterhin kompensieren. Und........alles braucht seine Zeit! Loslassen bedeutet nicht, dass wir unseren Töchtern keine Aufmerksamkeit mehr schenken dürfen. Loslassen bedeutet, dass wir bedingungslos Aufmerksamkeit schenken. Dass wir den Kern unseres Kindes erkennen, annehmen und lieben und es so sein darf wie es ist.
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